08.05.2002


Friedrichshain-Kreuzberg droht die vorläufige Haushaltswirtschaft
Abgelehnt: ungedeckter Blankoscheck

Friedrichshain-Kreuzberg. Auch der zweite Anlauf brachte für SPD und PDS nicht das gewünschte Ergebnis. Bereits Ende April wurde der Haushaltsentwurf für 2002/2003 auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) abgelehnt. Bei einer kurzfristig anberaumten zweiten BVV nahmen die Verordneten das Zahlenwerk abermals nicht an. Jetzt droht dem Bezirk die vorläufige Haushaltswirtschaft.

Eigentlich schien schon bei der ersten BVV alles klar zu sein: SPD und PDS haben mit 32 von 55 Stimmen eine sichere Mehrheit. Doch Christopher Paun von der FDP beantragte eine geheime Abstimmung über den Haushaltsplanentwurf. "Kein Verordneter soll dem ungedeckten Blankoscheck unter Fraktionszwang zustimmen", so seine Begründung. Der Antrag wurde angenommen. Und die Abstimmung brachte eine Überraschung: Der Haushalt wurde mit 24 gegen 22 Stimmen abgelehnt.

Finanzstadtrat Lorenz Postler (SPD) hat die Schuldigen bei der PDS ausgemacht. "Drei Verordnete sind vor der Abstimmung gegangen, andere hatten vorher angekündigt, dem Haushalt nicht zuzustimmen." Im Übrigen hält Postler von der geheimen Abstimmung gar nichts. "Der Bezirk ist dazu verpflichtet, einen Haushalt aufzustellen. Die Bezirksverordneten sollten sich öffentlich dazu bekennen."

Lars Meissner, Vorsitzender des Haushaltsausschusses (CDU), hat Haushaltslöcher von über 30 Millionen Euro ausgemacht. "Diese Fehlbeträge kann und will die CDU nicht mittragen." Außerdem habe es im Haushaltsausschuss nur eine statt der vorgeschriebenen zwei Lesungen geben. Ohnehin beschränkte sich die Frist, den Haushaltsplan aufzustellen auf nur zwei Tage. "Das ist in dieser Zeit gar nicht möglich", so Meissner.

Christopher Paun kritisiert, dass das Bezirksamt Summen vorlegt, die gar nicht gedeckt sind. "Außerdem will der Bezirk strukturelle Sparmaßnahmen erst angehen, nachdem der Haushalt beschlossen wurde. Das muss aber vorher geschehen."

Die Grünen sind bereit, bei einer konstruktiven Sparpolitik mitzumachen. Sie sehen auch noch Ein- sparpotenziale im Bezirk. "Aber die dürfen nicht zu Lasten der sozial Schwachen gehen", sagt die Grünen-Vorsitzende Bernadette Kern.

"Bei der Jugendförderung wird um ein Viertel gekürzt, Kitas und Schulen verfallen, Fahrradwege sind bald gar nicht mehr benutzbar."

Einig sind sich alle drei, dass bei diesen Zuweiungen des Senats kein Bezirkshaushalt beschlossen werden kann. Das sieht auch Lorenz Postler nicht anders: "2003 wird es sogar noch schlimmer." Auch er sieht das hohe Risiko für den Bezirk. Aber er hat Lösungen ausgearbeitet, wie der Senat dieses Risiko zum Teil wieder auffangen kann. Das betrifft die Bereiche Jugend und Soziales. Noch in der vergangenen Woche sind diese Vorschläge dem Hauptausschuss des Senats übermittelt worden. Trotzdem kann er nicht ausschließen, dass Jugendeinrichtungen geschlossen werden müssen.

Mit diesem Konzept hoffte er, die Bezirksverordneten auf der zweiten BVV-Sitzung zu überzeugen. "Viele aus Kreuzberg wussten auch gar nicht, dass die vorläufige Haushaltswirtschaft auf sie zukommt, wenn sie den Etat ablehnen." Dann kann der Bezirk nur noch die streng gesetzlichen Vorgaben bezahlen, mehr nicht. Meissner kann darüber nur lachen. "Das ist doch praktische Politik. Im Moment haben wir nichts anderes."

So wundert es nicht, dass auch die zweite Sitzung keinen Erfolg für den Haushalt brachte. Es kam gar nicht erst zur Beratung. Die Verordneten beriefen sich auf ein formales Fristversäumnis. Meissner: "Die Einladungen hätten mindestens vier Tage vor der BVV bei uns eintreffen müssen. Am Freitag ging der Etat-Entwurf ohne Absegnung der Verordneten beim Senat ein. Der Termin musste eingehalten werden. Aber die SPD gab nicht auf: Auf ihren Antrag wurde eine außerordentliche BVV-Sitzung zum leidigen Thema einberufen. dvs